Das ITWS unterscheidet sich von herkömmlichen IT-Weiterbildungen durch seine klare Fokussierung auf die realen Arbeitsprozesse in den Unternehmen. Die Teilnehmer können ein konkretes Projekt ihres Arbeitgebers für die Zertifizierung verwenden, sodass die gesamte Maßnahme im berufspraktischen Kontext erfolgt. Das Lernen erfolgt „im Job“, sodass keine Fehlzeiten anfallen.
Aus diesem Szenario entsteht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die Mitarbeiter können ihr schon erworbenes Wissen direkt einbringen. Das ist nicht zuletzt für Seiteneinsteiger, die ihre Fähigkeiten oftmals im Training-on-the-Job erworben haben, ein großer Vorteil, da sie auf diese Weise nun für ihre Kenntnisse ein Qualitätssiegel erhalten. Externe Schulungen, E-Learning oder Workshops müssen nicht nach einem festgelegten Schema absolviert werden, sondern kommen immer nur dann zum Einsatz, wenn Teilnehmer konkrete Wissenslücken zu füllen haben. Da jeder Teilschritt der Qualifizierung direkt in das Projekt einfließt, profitieren auch die Arbeitgeber sofort und unmittelbar.
Jörg Tappe beispielsweise absolvierte seine Weiterbildung zum IT Project Coordinator bei der Privatbank HSBC Trinkaus & Burkhardt im Rahmen eines Inhouse-Projekts zur Anbindung eines Systems für die Wertpapierabwicklung. „Für mich als Arbeitnehmer hat das IT-Weiterbildungssystem eine hohe Bedeutung, da hier tatsächlich meine Expertise dokumentiert und geprüft wird. Dadurch geht diese Form der Weiterbildung natürlich auch fachlich viel tiefer als bei den althergebrachten Seminaren“, so Tappes positives Fazit.
Vor allem für Beratungs- und Systemhäuser, deren Kapital gegenüber den Kunden in der jeweiligen Projekt- und Prozesskompetenz liegt, ist die Möglichkeit, durch ein anerkanntes Zertifikat das vorhandene Know-how zu untermauern, ein großer Pluspunkt. Diese Perspektive war auch für Mario Podszus, Geschäftsführer der Frankfurter IT-Beratungsgesellschaft Allinstall GmbH & Co. KG entscheidend dafür, selbst die Prüfung zum IT Business Consultant abzulegen. „Kunden möchten heute durchaus fachliches Know-how nachgewiesen sehen“, so seine Erfahrung. Als Quereinsteiger mit zehn Jahren Berufspraxis konnte er sein bereits vorhandenes Wissen konkret umsetzen und ein Kundenprojekt aus dem SAP-Bereich in die Prüfung integrieren.
Das IT-Weiterbildungssystem gliedert sich in einzelne Bausteine und umfasst insgesamt drei Stufen. So können sich IT-Profis aller Tätigkeitsgebiete ihr persönliches Karriereprofil zusammenstellen und ihre Weiterbildung auf den gewünschten Berufsweg abstimmen.
Die Einstiegsstufe der „Specialists“ umfasst die sechs Funktionsgruppen Software Developers, Technicians, Coordinators, Administrators, Solution Developers und Advisors und beinhaltet insgesamt 29 Profile, die den differenzierten Anforderungen in der IT-Praxis entsprechen. Für Absolventen der Ausbildungen zum/zur IT-Systemelektroniker/in, Fachinformatiker/in, IT-Systemkaufmann/frau und Informatikkaufmann/frau ist diese Einstiegsstufe ebenso geeignet wie für Seiteneinsteiger, die noch über keinen anerkannten Abschluss verfügen. Das nach erfolgreicher Weiterbildung vergebene IT-Spezialisten-Zertifikat entspricht dem Standard DIN EN ISO/IEC 17024 und ist damit international anerkannt.
Die „Operativen Professionals“ decken gegenüber den Spezialisten einen breiteren Verantwortungsbereich ab und tragen beispielsweise auch Personal- und Budgetverantwortung. Hier ist die IHK-Prüfung zum IT-Systems Manager, IT-Business Manager, IT-Business Consultant oder IT-Marketing Manager möglich. Die Anforderungen dieser Qualifizierungsstufe sind mit einem Bachelor vergleichbar.
Die oberste Stufe des Weiterbildungssystems bilden die „Strategischen Professionals“. Der Abschluss richtet sich an Personen in strategischen Positionen, die bei der Geschäfts-, Produkt- und Personalentwicklung federführend mitwirken. Der IT Technical deckt dabei die Anforderungen der technisch orientierten Entscheider ab, während der IT Business Engineer das kaufmännisch ausgerichtete Pendant darstellt. Im Hinblick auf die geforderten Kompetenzen bewegt sich der Abschluss auf dem Niveau eines Masters.
Die Professional-Prüfungen führen zu einem öffentlich-rechtlichen Abschluss auf Basis der IT-Fortbildungsverordnung und werden von den Industrie- und Handelskammern abgenommen. Ein Äquivalenzbewertungsverfahren soll in Zukunft regeln, wie die erbrachten Leistungen nach dem European Credit Transfer and Accumulation System (ECTS) bewertet werden. Dies stellt die internationale Transparenz des Abschlusses sicher und ermöglicht es Absolventen, sich das auf diesem Wege erworbene Wissen dann auch im Rahmen eines Hochschulstudiums anrechnen zu lassen.
Dreh- und Angelpunkt in der Informationstechnologie sind Prozesse und Verfahren und genau hier setzt das IT-Weiterbildungssystem mit seiner Arbeitsprozessorientierung (APO) an, um größtmögliche Effizienz und Reichweite sicherzustellen. So wird für jede Berufsrolle ein typischer Referenzprozess beschrieben, dessen praktischer Nachvollzug bei der Zertifizierung quasi den Lehrplan bildet. Damit ist nicht nur der Praxistransfer des Gelernten sichergestellt. Unternehmen können ihre bisherigen Prozessketten im Abgleich mit diesem Modell systematisieren und so die eigenen Abläufe nachhaltig optimieren.
Das Konzept stößt in der Wirtschaft trotz stagnierender Ausgaben im Weiterbildungssektor inzwischen auf reges Interesse. So haben sich zur Spezialisten-Zertifizierung bereits rund 700 Teilnehmer angemeldet. Die Industrie- und Handelskammern, die für die Professional-Prüfungen zuständig sind, nahmen im vergangenen Jahr bereits 270 Prüfungen zum Operativen Professional ab, 2006 sollen es 350 sein. Im Rhein-Main-Gebiet nutzen unter anderem bereits die Fraport AG, die Schneider Electric GmbH und die Messer Group GmbH das IT-Weiterbildungssystem zur gezielten Personalentwicklung.
- Beratung: www.karriere-it.com
- Specialist-Zertifizierung: www.cert-it.org, www.gps-cert.de
- Professional-Prüfungen: www.ihk-frankfurt.de
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Die Autorin Renate-Anny Böning ist Projektleiterin von Karriere-IT in Frankfurt am Main. |