2023 war ein ereignisreiches Jahr. Ein guter Grund, unsere Expert:innen aus den Bereichen .NET, JavaScript und Webentwicklung nach ihren Einschätzungen zu den aktuellen Trends, neuen Technologien und natürlich auch nach ihrer Meinung zum unumgänglichen AI-Hype zu befragen. Außerdem lassen sie uns wissen, was sie sich für 2024 wünschen.
Windows Developer: Was hat das Jahr 2023, insbesondere auch aus technologischer Sicht, für dich interessant und besonders gemacht?
Christian Liebel: Ganz eindeutig Generative AI. Die Veröffentlichung von ChatGPT Ende 2022 war ein wahrer iPhone-Moment. 2023 kam dann enorm viel Bewegung in dieses Thema: Open-Source-Modelle wurden im Wochentakt kleiner, besser und schneller. Urplötzlich reichen unsere Bandbreiten, Rechen- und Speicherkapazitäten nicht mehr aus. All das gab es in der IT schon lange nicht mehr.
Manfred Steyer: 2023 stand für mich im Zeichen der Angular-Renaissance: Das Framework erneuert sich von innen heraus und wird moderner. Dabei nimmt es Trends, die sich in anderen kleineren Frameworks bewährt haben, auf: Partial Hydration, verzögertes Laden von Seitenbereichen, ein neuer Control Flow und Signals.
Das Angular-Team achtet bei diesen Neuerungen sehr stark auf Abwärtskompatibilität. Bestehender Code wird nicht gebrochen, sondern das Framework bekommt nach und nach neue Features. Das ist ein wichtiges Zeichen, da gerade viele langlebige Unternehmensanwendungen auf Angular setzen. Hier braucht es also Nachhaltigkeit. Trotzdem muss das Framework relevant bleiben. Dazu braucht es auch Neuerungen. Wir haben es also mit einem Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Neuerungen zu tun und den scheint das Angular-Team echt gut hinzubekommen.
Außerdem ist der auf Signals basierende NgRx Signal Store echt cool: Er ist leichtgewichtig und super erweiterbar. Wiederkehrende Anforderungen lassen sich damit sehr elegant zentral umsetzen. Als Beispiel nenne ich gerne meine Erweiterungen, die es mir erlauben, mit sieben Zeilen Code einen Store für einen CRUD Use Case inklusive Undo/Redo zu implementieren.
Nils Hartmann: Für jemanden, der sich viel mit React beschäftigt, war natürlich die „Full-Stack-Empfehlung“ der Moment des Jahres 2023. Im März fand sich plötzlich die Empfehlung auf der React-Homepage, React-Anwendungen nur noch mit einem Full-Stack-Framework wie Next.js oder Remix zu bauen. Das hat für einigen Wirbel in der React-Szene (und auch außerhalb) gesorgt. Leider finde ich die Begründung des React-Teams für diesen Schritt bzw. diese Empfehlung zu undifferenziert und in Teilen sogar falsch, auch wenn die Full-Stack-Frameworks viele gute Ideen und nützliche Features mitbringen.
Auch wenn man natürlich weiterhin mit React Single-Page-Anwendungen bauen kann, hätte ich es begrüßt, wenn man differenzierter argumentiert hätte (das gilt auch für Teile der meinungsstarken Community) und zum Beispiel den Frameworkweg als zusätzliche Option für React angeboten hätte. So empfinde ich es fast schon als ein Schlag ins Gesicht derer, die seit Jahren React als Basis für ihre Single-Page-Anwendungen einsetzen und – aus welchen Gründen auch immer – nicht auf ein Framework umstellen wollen oder können.
Tam Hanna: Wir sehen in vielerlei Hinsicht ein Streamlining im Bereich der angekündigten Technologien. AI hat sich gut etabliert, viele angekündigte Produkte – zum Beispiel der Bluetooth SoC auf RISC/V-Basis von GigaDevice – wurden zumindest in Musterstückzahlen verfügbar.
Dr. Veikko Krypczyk: 2023 war geprägt von bedeutenden Fortschritten in der künstlichen Intelligenz, insbesondere in Bereichen wie Sprachverarbeitung und Bildgenerierung. Tools wie GPT-4 und DALL-E haben die Interaktion mit KI und die Erzeugung kreativer Inhalte revolutioniert. Ebenso interessant war ein zunehmender Fokus auf umweltfreundliche Technologien und nachhaltige Entwicklung, vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien und der Green IT.
Maria Haubner: Mein Team und ich hatten dieses Jahr besonders viel Spaß dabei, uns neue Technologien anzueignen. Beispielsweise haben wir uns intensiv mit Flutter und mobiler Entwicklung beschäftigt. Dabei waren wir auch begeistert von den Entwicklungen, die Flutter im Bereich Web und Desktop geliefert hat. Wir waren positiv überrascht davon, in welcher Geschwindigkeit sich Apps damit Multi-Plattform entwickeln lassen.
WD: Wie würdest du die Entwicklungen der vergangenen rund 12 Monate in der .NET-Web- und JavaScript-Welt beurteilen? Welche Entwicklungen würdest du positiv einschätzen, welche negativ? Gab es für dich persönliche Highlights?
Liebel: Das Web entwickelt sich stetig weiter, so auch in diesem Jahr. Interessant war, dass Apple, Google und Microsoft sich auf die Installationskriterien für Progressive Web Apps geeinigt haben: nämlich, dass es gar keine geben soll. Gerade rechtzeitig zum GenAI-Hype erschien das WebGPU API in den Chromium-basierten Browsern, das die lokale Ausführung von KI-Modellen direkt im Browser erheblich beschleunigt. Nächstes Jahr werden Third-Party-Cookies in Chrome abgeschaltet. Das ist an sich...