Interview mit AI-Ethik-Expertin Mhairi Aitken

KI ist ein menschliches Unterfangen

KI ist ein menschliches Unterfangen

Interview mit AI-Ethik-Expertin Mhairi Aitken

KI ist ein menschliches Unterfangen


Mit den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz wird der Ruf nach Regulierung immer lauter. Eine tragfähige Regulierungspolitik erfordert zunächst aber eine breite öffentliche Debatte. Wir sprachen mit Mhairi Aitken, Soziologin und Ethics Fellow am britischen Alan Turing Institute, über den aktuellen Diskurs zu Risiken der KI, KI-Regulierung und Visionen von funkelnden Robotern mit leuchtenden Gehirnen.

Entwickler Magazin: Könntest du dich unseren Leser:innen bitte vorstellen und uns ein wenig darüber erzählen, warum du dich mit maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz beschäftigst?

Mhairi Aitken: Mein Name ist Mhairi Aitken, ich bin Ethics Fellow am Alan Turing Institute, dem britischen Institut für KI und Datenwissenschaft. Als Ethics Fellow beschäftige ich mich mit den ethischen und sozialen Aspekten von KI und Datenwissenschaft. Ich arbeite im Public Policy Program, in dem wir uns vor allem mit dem Einsatz von KI in der Public Policy und in der Regierung befassen, aber auch mit dem Umgang der Politik und der Regierung mit KI, z. B. hinsichtlich Regulierung.

EM: Kannst du unseren Lesern, die das Alan Turing Institute noch nicht kennen, etwas darüber erzählen?

Aitken: Das Institut wird öffentlich finanziert, aber unsere Forschung ist unabhängig. Wir verfolgen mit unserer Arbeit drei Hauptziele: Erstens, die Förderung von Forschung auf Weltniveau und ihre Anwendung auf nationale und globale Herausforderungen. Zweitens, die Entwicklung von Kompetenzen für die Zukunft. Dabei geht es sowohl um technische Fähigkeiten und die Ausbildung der nächsten Generation von KI- und Datenwissenschaftler:innen als auch um die Entwicklung von Fähigkeiten in Bezug auf ethische und soziale Überlegungen und Regulierung. Drittens gehört es zu unserem Auftrag, eine informierte öffentliche Diskussion anzustoßen. Wir haben die Aufgabe, mit der Öffentlichkeit, den politischen Entscheidungsträgern und einer Vielzahl von Interessenvertreter:innen in Kontakt zu treten, um sicherzustellen, dass die öffentliche Debatte über KI gut informiert stattfindet, und um einige Missverständnisse auszuräumen, die in der Öffentlichkeit oft vorherrschen.

EM: In deinem Vortrag auf der Devoxx UK hast du gesagt, es sei wichtig, KI zu entmystifizieren. Was genau ist der Mythos, der KI umgibt?

Aitken: Es gibt eine ganze Reihe verschiedener Missverständnisse. Eins der größten ist vielleicht, dass KI etwas ist, das technisch sehr komplex ist und mit dem normale Menschen nichts anfangen können. Es ist wirklich wichtig, diesen Mythos zu entkräften, denn oft herrscht das Gefühl vor, dass KI etwas ist, mit dem sich Laien nicht ohne weiteres beschäftigen oder mitdiskutieren können.

Da KI aber bereits in unser aller Leben eingebettet ist und sich auf die gesamte Gesellschaft auswirkt, ist es wichtig, dass alle Menschen das Gefühl haben, sich an diesen Diskussionen beteiligen zu können, ein Mitspracherecht zu haben und die Art und Weise, wie KI ihr Leben beeinflusst, selbst zu bestimmen.

Andererseits gibt es unbegründete und unrealistische Ängste darüber, welche Risiken KI in unser Leben bringen könnte. Es gibt viele einschlägige Bilder, die KI darstellen, von glänzenden Robotern mit leuchtenden Gehirnen und der Vorstellung von Superintelligenz. Diese weit verbreiteten Erzählungen über KI tauchen immer wieder auf und sind im öffentlichen Diskurs sehr präsent. Das lenkt ab und erschwert das öffentliche Engagement und eine fundierte öffentliche Diskussion, die in die Politik und die Regulierung einfließt. Wir müssen uns darauf konzentrieren, was KI wirklich ist, und in den meisten Fällen ist sie weit weniger aufregend als Superintelligenz und glänzende Roboter.

EM: Du hast gesagt, dass KI nicht nur ein komplexes technisches Thema ist, sondern etwas, das uns alle angeht. Viele dieser Missverständnisse rühren jedoch daher, dass die Kerntechnologie von Laien oft nicht gut verstanden wird. Ist das nicht ein Problem?

Aitken: Die meisten Big-Tech-Akteure verbreiten die Vorstellung, dass KI etwas mit Superintelligenz zu tun hat, was weit hergeholt ist und die Diskussion abwürgt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass KI schwieriger zu erklären oder zu begreifen ist, als sie tatsächlich ist, um eine fundierte Diskussion führen zu können. Wir müssen in diesem Bereich viel mehr tun und den Menschen das Vertrauen geben, sich an sinnvollen Diskussionen über KI zu beteiligen.

Und ja, es ist wichtig, ein ausreichendes technisches Verständnis dafür zu schaffen, was diese Systeme sind, wie sie aufgebaut sind und wie sie funktionieren. Aber es ist auch wichtig zu wissen, dass die Menschen kein technisches Verständnis haben müssen, um sich an Diskussionen darüber zu beteiligen, wie Systeme entworfen und entwickelt werden, in welchen Kontexten sie eingesetzt werden oder für welche Zwecke sie verwendet werden.

Das sind politische, wirtschaftliche und kulturelle Entscheidungen, die von Menschen und Organisationen getroffen werden. Das sind alles Dinge, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden sollten. Wenn wir über KI sprechen, ist es deshalb sehr wichtig, sie als menschliches Unterfangen zu betrachten. Sie wird von Menschen geschaffen und ...