Brauchen nur Dampfplauderer Soft Skills oder sind diese „weichen Fähigkeiten“ mittlerweile für jedermann wichtig? Sind sie vielleicht sogar für Techies von Vorteil oder gar notwendig? Dieser Frage geht der nachfolgende Artikel auf den Grund und zeigt an ausgewählten Beispielen, wie Soft Skills weiterentwickelt werden können.
Bevor sich die Frage beantworten lässt, ob Soft Skills heutzutage für alle, auch Techies, den einen entscheidenden Unterschied ausmachen können, sollte man sich im Klaren darüber sein, was Soft Skills eigentlich sind. Dazu ist es hilfreich, deren Gegenpart zu betrachten: die Hard Skills. Auf Wikipedia findet sich eine gute Definition für Hard Skills (Fachkompetenzen): „die Fähigkeit von Personen, berufstypische Aufgaben und Sachverhalte den theoretischen Anforderungen gemäß selbstständig und eigenverantwortlich zu bewältigen“. Gemäß dieser Definition handelt es sich bei den Hard Skills um Kompetenzen, die sich von Berufsgruppe zu Berufsgruppe deutlich unterscheiden. Zudem handelt es sich vor allem um Fähigkeiten für die Bewältigung theoretischer Anforderungen. Diese Qualifikationen werden zum Beispiel in der Schule, der Ausbildung und dem Studium vermittelt oder aber auch durch das Lesen von Büchern erworben. Sie können anschließend selbstständig und eigenverantwortlich angewandt werden. Ein Programmierer etwa sollte unter anderem über folgende Fachkompetenzen verfügen:
Die Definition von Soft Skills gestaltet sich deutlich schwieriger. Eine jedoch durchaus passende Begriffsbestimmung findet sich ebenfalls auf Wikipedia, allerdings auf der englischsprachigen Seite: „combination of interpersonal people skills, social skills, communication skills, character traits, attitudes, […] that enable people to […] work well with others […] to achieve their goals with complementing hard skills“. Anhand dieser Definition lässt sich erkennen, dass Soft Skills selbst aus einer Kombination verschiedener weicher Fähigkeiten bestehen und sich nur schwer auf eine einzige, konkrete Fähigkeit herunterbrechen lassen. Sie sollen die Zusammenarbeit von Individuen ermöglichen und unterstützen. Soft Skills ergänzen und vervollständigen die bereits vorhandenen Hard Skills. Erst durch die Kombination beider Kompetenzen kann ein Mensch das gesamte Potenzial seiner Fähigkeiten ausschöpfen. Abbildung 1 zeigt einige Beispiele für Soft Skills.
Oftmals hört man Aussagen wie „Ein Programmierer muss nur seine Programmiersprache beherrschen“, „Das Wichtigste ist, fehlerfreie Software produzieren zu können“, „Entwickler müssen nur Anweisungen befolgen“ oder Ähnliches. Solche Aussagen sind nicht nur falsch, sondern auch sehr gefährlich, denn ein Softwareentwickler muss durchaus mehr beherrschen als lediglich den Umgang mit einer Programmiersprache oder die Erstellung fehlerloser Software. Für die Frage, warum nun Soft Skills in der Entwicklung wichtig sind, gibt es viele Antworten. Einige der wichtigsten Gründe lassen sich in folgende Schlagworte zusammenfassen:
Software übernimmt immer mehr Aufgaben, gewinnt zunehmend an Bedeutung in unserem Alltag und ist vernetzter denn je. Die intelligente Zahnbürste ist dafür ein aktuelles Beispiel. Sie sammelt und analysiert Daten über das Zähneputzen und kommuniziert mit mobilen Apps und Social-Media-Netzwerken wie Twitter oder Facebook. Bereits bei diesem einfachen Beispiel sind unzählige Technologien im Einsatz und die Komplexität ist sehr hoch. Dies ist jedoch nicht vergleichbar mit der Komplexität, die heute in einem modernen Auto oder einem Medizinprodukt wie etwa einem Computertomografen steckt. Soft Skills wie Disziplin, Gründlichkeit, Lernbereitschaft und Ordnungssinn können helfen, mit dieser Komplexität zurechtzukommen.
Neben der Softwareentwicklung gibt es wohl kaum eine andere Branche, in der sich die Technologien so schnell wandeln und weiterentwickeln. Besonders eindrucksvoll ist die Zahl neuer JavaScript-Frameworks, die monatlich erscheinen. Darüber hinaus entstehen immer wieder ganz neue Einsatzmöglichkeiten bzw. Einsatzfelder für Softwareprodukte. Zum Beispiel ist noch völlig unklar, wie und wo die Blockchain-Technologie zum Tragen kommt und welche Auswirkungen dies für uns haben wird. Dieser ständige Wandel ist nicht leicht zu bewältigen, jedoch können auch hier Soft Skills einen positiven Einfluss auf den Umgang mit den immer neuen Herausforderungen haben. Hilfreich und förderlich sind beispielsweise eine hohe Lernbereitschaft, Anpassungs- oder Begeisterungsfähigkeit.
In sicherheitskritischen Branchen wie zum Beispiel der Automobilindustrie oder der Medizintechnik sind die Qualitätsansprüche an Software enorm hoch – vor allem dann, wenn es um Menschenleben geht. In solchen Fällen dürfen keinerlei Abstriche bei der Qualität der Software gemacht werden. Allerdings ist es sehr schwierig, immer den höchsten Qualitätskriterien zu genügen – erst recht, wenn das Produkt bereits sehr komplex ist. Will oder muss man dennoch eine hohe Qualität erreichen, können Fähigkeiten wie Gründlichkeit, Ordnungssinn und Organisationsfähigkeit helfen.
Das klassische Bild eines Softwareentwicklers als Nerd, der allein in seiner Garage oder im Keller herumtüftelt, ist längst nicht mehr aktuell. Heutzutage entwickeln interdisziplinäre Teams in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden qualitativ hochwertige Software. Dazu ziehen sie meist moderne Entwicklungspraktiken wie Scrum oder SAFe heran, die Teamwork und Kommunikation großschreiben und voraussetzen. Diese neuen Methoden und Techniken stellen an die Entwickler jedoch einige Ansprüche, die sie mit Hilfe von Soft Skills wie zum Beispiel Selbstorganisation, Eigenverantwortlichkeit und Kommunikationsfähigkeit erfüllen können.
Die eben genannten Beispiele zeigen, dass Soft Skills eine große Auswirkung auf das tägliche Geschäft in der Softwareentwicklung haben und eine tragende Säule für den Erfolg eines Teams oder sogar eines Unternehmens sind. Dennoch werden Soft Skills so gut wie nie unterrichtet. Natürlich gibt es Ausnahmen, jedoch werden diese Fähigkeiten in den meisten Fällen weder in der Schule noch in der Ausbildung oder im Studium entwickelt. Im Berufsleben ist es ähnlich: Der Großteil der Fortbildungen richtet sich ausschließlich auf die Hard Skills. Oft werden Soft Skills erst mit dem Erreichen einer Führungsposition in Fortbildungen thematisiert. Doch ist es dafür dann nicht schon viel zu spät? Meist eignet man sich Soft Skills über die Zeit an, indem man sie durch Beobachten und Nachahmen von Eltern, Lehrern, Freunden, Kollegen oder anderen Mitmenschen adaptiert. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen sollten Soft Skills trainiert und weiterentwickelt werden. Es muss nicht unbedingt eine teure Fortbildung sein, man kann bereits einige Übungen in den Alltag einbauen. Es folgen ein paar Tipps und Tricks zu drei ausgewählten Fähigkeiten.
Da die Softwareentwicklung eine der schnelllebigsten Branchen überhaupt ist, muss sich jeder Software-Engineer zwangsläufig stetig fortbilden. Allerdings sollte auch das Weitergeben von Wissen nicht unterschätzt werden. Mittlerweile werden zwei Methoden immer beliebter, die sowohl das Lernen als auch das Lehren beinhalten: Code Review und Pair Programming. Diese Methoden sind sehr wirkungsvoll und mächtig und helfen nicht nur bei der Weiterbildung, sie beeinflussen zum Beispiel auch die Qualität der Software positiv. Bei beiden Techniken ist der Kenntnisstand der Beteiligten nicht immer ausschlaggebend. So können selbst erfahrene Entwickler immer wieder etwas Neues von Junioren lernen.
Eine weitere Möglichkeit, das Wissen zu verbreiten und den Wissensaustausch zu fördern, sind sogenannte Tech Talks. Beispielsweise könnten Mitarbeitern pro Woche ein bis zwei Stunden für solche Tech Talks zur Verfügung gestellt werden, die sich unterschiedlich einsetzen lassen. So können zum Beispiel Code Katas durchgeführt, Erfahrungsberichte ausgetauscht, Diskussionen geführt oder Live Codings betrachtet und bewertet werden. Dieses Format lässt sich auch nutzen, um seine Präsentationsfähigkeiten weiterzuentwickeln.
Social Skills sind eine Sammlung von zahlreichen Fähigkeiten, wie zum Beispiel Kommunikation, Wortwahl, aktives Zuhören, Körpersprache, Augenkontakt, Empathie, Gefühlskontrolle oder Selbstbeherrschung. Diese Fähigkeiten beeinflussen maßgeblich das soziale Leben und die zwischenmenschlichen Beziehungen. Allerdings können sie auch Auswirkungen auf das Berufsleben haben und etwa beim Ergattern des Traumjobs helfen. Es gibt zwei Übungen, um die Social Skills zu trainieren: das 60 Seconds Game und das Compliments Game.
Der Grundgedanke des 60 Seconds Game ist es, eine neue Person kennenzulernen. Diese Übung kann fast überall durchgeführt werden, zum Beispiel beim Warten auf den Bus oder beim Betreten eines Cafes. Es gibt lediglich eine Regel bei dieser Übung: Man muss sich innerhalb von 60 Sekunden nach Betreten des Raumes oder Platzes einer noch unbekannten Person vorstellen. Wichtig dabei ist, dass dies innerhalb der ersten 60 Sekunden passiert, denn danach ist die Angst, sich zu blamieren, bereits zu groß.
Das Compliments Game ist dem 60 Seconds Game sehr ähnlich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass man sich diesmal nicht bei einer fremden Person vorstellt, sondern jemandem ein aufrichtiges und ehrliches Kompliment macht. Das sollte man idealerweise dreimal täglich tun.
Beide Übungen helfen dabei, Selbstbewusstsein in ungewohnten Situationen zu erlangen, die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und die eigene Komfortzone immer mal wieder zu verlassen. Zudem besteht die Chance, neue Leute kennenzulernen und Mitmenschen eine Freude zu bereiten.
Die Vielzahl an Störfaktoren wie etwa Facebook, Twitter, Mail, Chats, Kollegen oder Smart Watches war nie so groß wie heute. Diese Störfaktoren und der Versuch des Multitaskings erschweren das effektive Arbeiten drastisch. Auch für diese Probleme gibt es den einen oder anderen Trick. Um mit diesen Herausforderungen zurechtzukommen, bietet sich zum Beispiel die Methode Pomodoro an. Zu Beginn formuliert man die Aufgabe, die man abarbeiten möchte und notiert sie schriftlich, um sich das Ziel zu verdeutlichen. Im Anschluss stellt man einen Wecker auf 25 Minuten. Es wäre durchaus möglich, eine kürzere Iteration zu wählen, jedoch keine längere. Nun richtet man seine volle Aufmerksameit 25 Minuten lang auf die formulierte Aufgabe. In dieser Zeit duldet man keine Störung. Hierfür ist es hilfreich, die Kollegen vorab über die neue Arbeitsweise zu informieren und die Iteration kenntlich zu machen, beispielsweise durch eine Lampe oder ein Schild. Es kann natürlich auch Ausnahmen für eine Störung während dieser Zeit geben, allerdings sollte dies wirklich nur im Notfall sein. Sind die ersten 25 Minuten vorüber, so legt man eine 5-Minuten-Pause ein und sammelt Kraft für die nächste Iteration. Abhängig von der Aufgabengröße arbeitet man entweder an der bisherigen Aufgabe weiter oder formuliert eine neue. Nach jeweils vier Iterationen wird eine längere Pause eingelegt, diese beträgt 20 bis 30 Minuten.
Es muss nicht immer eine ganz neue Arbeitsweise sein. Oftmals ist es schon hilfreich, gewisse Störfaktoren und Benachrichtigungen zu deaktivieren. So können die meisten Benachrichtigungen von Anwendungen wie Mail-Client, Facebook, SMS, Twitter oder ähnlichem ausgeschaltet werden. Zudem ist es in den meisten Fällen völlig ausreichend, Formate wie Mail oder Twitter nur zwei- oder dreimal am Tag zu lesen und zu beantworten.
Eine leider oft vernachlässigte und unterschätzte Methode, um den Fokus zu erhöhen, ist das Pausemachen. Hierzu gibt es eine hilfreiche Faustregel:
Die Pause kann auch genutzt werden, um mit Kollegen gemeinsam einen Kaffee oder Tee zu trinken oder spazieren zu gehen. Dies fördert das Teamgefüge, und sehr häufig lösen sich durch Gespräche mit Kollegen Probleme wie von selbst. Pausen sind niemals unproduktiv. Ganz im Gegenteil haben sie einen positiven Einfluss auf den Fokus und die Produktivität.
Soft Skills können den Unterschied zwischen Scheitern und Erfolg von Teams oder sogar ganzen Unternehmen ausmachen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Das Wort „Soft“ verleitet viel zu leicht dazu, diese Fähigkeiten zu unterschätzen. Soft Skills sind definitiv nicht nur etwas für Dampfplauderer, sondern für jedermann – auch und vielleicht gerade für Softwareentwickler. Jeder sollte an seinen Soft Skills arbeiten und dazu auch einmal eine Fortbildung besuchen, nicht nur für die Hard Skills.