Die Tech-Industrie wird von Männern dominiert – so weit, so schlecht. Doch langsam, aber sicher bekommt der sogenannte Boys Club Gesellschaft von begabten Frauen: Immer mehr Frauen fassen in der Branche Fuß.
Aus diesem Grund wollen wir hier spannenden und inspirierenden Frauen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen und zu erzählen, wie und weshalb sie den Weg in die Tech-Branche gewählt haben. Aber auch Themen wie Geschlechtervorurteile, Herausforderungen oder Förderungsmöglichkeiten kommen zur Sprache.
Unsere Woman in Tech: Gianna Reich
Heute erzählt uns Gianna Reich, Inhaberin des Blogs Geisteswirtschaft, ihre Geschichte. Die gelernte Mediengestalterin (Digital/Print) studiert gerade in den letzten Zügen Germanistik und Angewandte Kulturwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Daneben arbeitet sie halbtags für die NETSYNO Software GmbH in Karlsruhe im Bereich Communication & Media und geht parallel dazu verschiedenen freiberuflichen Tätigkeiten nach. Gianna ist zum Beispiel am KIT für das Studienzentrum Multimedia (SZM) in der Lehre tätig und gibt dort Seminare zu Photoshop und InDesign. Für die Funke Mediengruppe arbeitet sie als Social Media Editor.
Während der Schulzeit hat sich Gianna nicht besonders für Tech interessiert – eine Förderung von außen gab es aber auch nicht:
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man mich in der Schule oder im Studium auf besondere Art und Weise für Technik und IT begeistert hätte. Rückblickend wäre es schön gewesen, wenn man mir schon zu Schulzeiten vermittelt hätte, wozu Skills im Tech-Bereich gut sind und was sich alles damit anstellen lässt. Für meinen Geschmack bereiten weder Schule noch Studium auf die Anforderungen der Wirtschaft vor.
Erst während ihrer Ausbildung zur Mediengestalterin und durch ihre WG kam Gianna mit IT-Themen in Kontakt. Das hat sich dann aber auch bezahlt gemacht:
Für die Ausbildung zur Mediengestalterin habe ich mich nach dem Abi entschieden. Es folgte dann zwar ein Studium der Germanistik und Kulturwissenschaft, allerdings an dem, wie der Name schon vermuten lässt, eher technikgeprägten Karlsruher Institut für Technologie. Und sechs Jahre lang mit zwei Informatikern in einer WG zu leben, hat sicher auch seinen Teil dazu beigetragen.
Während meines Studiums habe ich immer viel gearbeitet, sei es als Mediengestalterin oder studentische Hilfskraft. Während meiner Arbeit für die Gründerberatung meiner Universität habe ich meinen heutigen Chef Jonathan Denner kennengelernt. Er suchte jemanden, der sein Team im Bereich der Außendarstellung unterstützt und fragte eines Tages an, ob ich Interesse an dem Job hätte. Ein Mittagessen später war ich dann Teil der NETSYNO Software GmbH.
Bei NETSYNO arbeitet Gianna jetzt halbtags im Bereich Communication & Media. Ihr Arbeitsalltag sieht wie folgt aus:
Meine Aufgabe ist es, unsere Projekte und Kompetenzen nach außen hin verständlich zu präsentieren, sodass auch Nicht-Techniker den Mehrwert unserer Lösungen verstehen. Konkret bedeutet das, dass ich unsere Webseite und unseren Blog pflege, Pressemitteilungen schreibe, Messen besuche, die Social-Media-Kanäle bespiele, Werbemittel gestalte, aber auch intern Prozesse voran bringe, die mit unserer Unternehmenskommunikation zu tun haben.
Das Besondere ist aber sicherlich auch die Art, wie ich arbeite. Und zwar lebe ich in Duisburg, während NETSYNO seinen Sitz in Karlsruhe hat. Einmal im Monat bin ich für ein paar Tage im Büro in Karlsruhe, an den anderen Tagen arbeite ich ortsunabhängig, z. B. im Home Office. Ich schätze diese Freiheit und das Vertrauen meiner Firma sehr und glaube, dass man diese Rahmenbedingungen auch eher in der IT-Branche findet als anderswo.
Auch als Quereinsteiger kann man sich als Frau also in der Tech-Branche einen Platz sichern. Warum findet man dann aber noch immer so wenige Frauen auf diesem Gebiet?
Auf der einen Seite gibt es seit ein paar Jahren immer mehr Projekte und Programme, die Mädchen wie auch junge Frauen von der Schule bis hin zum Studium gezielt für die Naturwissenschaften und IT begeistern sollen. Auf der anderen Seite fühlt es sich so an, als wenn unsere Gesellschaft Rückschritte in Sachen Geschlechterstereotypen macht.
Ich habe als Kind immer gern mit Lego gespielt und mir nie Gedanken darüber gemacht, ob Lego jetzt für Jungs oder Mädchen gedacht ist. Geht man heute in einen Lego Store, sieht man da neben den vielen coolen Bausätzen leider auch eine „Mädchen-Ecke“, die komplett rosa gestaltet ist und wo man dann eine Lego-Backstube oder einen Lego-Welpenspielplatz kaufen kann. Genauso gibt es ein Überraschungsei für Jungs und eines für Mädchen. Das finde ich absurd.
„Stereotypen müssen durchbrochen werden.“
Ziel sollte es sein, genau diese Stereotypen zu durchbrechen und Kinder nicht danach zu erziehen, was typisch Mädchen und was typisch Junge ist. Wenn das gelingt, wird sich das später sicher auch positiv auf die Berufswahl auswirken.
Sind diese frühen Hürden dann aber einmal genommen, arbeitet es sich in der Tech-Branche als Frau ziemlich gut, findet Gianna:
Ansonsten habe ich eher gute Erfahrungen gemacht in der Tech-Branche. Es kommt auf die Menschen an, ob man sich in einem Team wohl fühlt oder nicht, und nicht auf die Geschlechter. Ich glaube, die Männer meiner Generation sind durchaus daran interessiert, gleichberechtigt und auf Augenhöhe mit Frauen zu arbeiten oder privat zu leben. Klischees und Stereotypen bin ich eher von älteren Männern ausgesetzt, denen es bis heute schwer fällt, eine junge Frau wirklich ernst zu nehmen. Auch hier gibt es glücklicherweise Ausnahmen, allerdings geht ein gewisses Machogehabe tendenziell mit dem Alter einher.
Diversity ist für Gianna wichtig – allerdings sollten nicht nur mehr Frauen in Tech arbeiten, sondern auch mehr Männer in typischen Frauenberufen:
Ich finde, dass alle Branchen und Berufe, in denen vorwiegend ein Geschlecht tätig ist, sich öffnen sollten. Das heißt, dass sich auch Männer trauen sollten, in eher feminin geprägten Berufen wie der Erziehung Fuß zu fassen, wenn sie das möchten. Zudem wurde mehrfach in Studien bewiesen, dass gemischte Teams die besseren Ergebnisse erzielen. Ob man sich das bei dem heutigen Wettbewerb entgehen lassen will, muss jede Firma für sich selbst entscheiden.
Ich würde mir wünschen, dass mit dem Generationswechsel in den Führungsebenen auch die Offenheit in den Unternehmen wächst. Und dass es eines Tages völlig egal ist, welches Geschlecht man hat, welches Geschlecht man liebt oder welcher Nationalität man angehört. Das Geschlecht ist egal. Was zählt, sind die Skills.
Was zählen sollte, sind die Skills und ob man menschlich ins Team passt. Interessanterweise habe ich diese Offenheit sogar eher in IT-Unternehmen erlebt. Das mag ein rein subjektiver Eindruck sein, bestärkt mich jedoch darin, den richtigen Weg gewählt zu haben.
Dementsprechend rät Gianna allen interessierten Mädchen und Frauen dazu, ihren Weg in die Tech-Branche zu gehen:
Wer als Frau in einer Männerdomäne arbeitet oder arbeiten will, sollte durchsetzungsstark sein, selbstbewusst, schlagfertig und sich nicht alles zu Herzen nehmen. Der Ton bzw. die Sprüche können hier durchaus mal rauer oder direkter sein als unter Frauen. Dafür gibt es aber auch weniger Stutenbissigkeit. Ich kann jungen Mädchen oder Frauen nur empfehlen, sich Vorbilder zu suchen, sich nicht zu sehr an institutionelles Wissen zu klammern und frühestmöglich zu netzwerken.
Wenn du etwas willst, dann nimm es dir und arbeite dafür.
Wie sind eure Erfahrungen als Frauen in der Tech-Branche? Und wie seht ihr Männer das – fehlen euch qualifizierte Frauen als Kollegen? Schickt uns eure Erfahrungen, Meinungen, Wünsche per Mail an redaktion@entwickler.de!
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