Klassisch oder agil, Festpreis oder Time and Material, Sicherheit oder Flexibilität? Vor diesen Entscheidungen steht jedes im Auftrag umgesetzte Softwareprojekt. Die Berechnung eines (seriösen) Festpreises bedarf einer dem Projekt vorangestellte Lastenpflichtenheftphase. Im Laufe einer realen Projektdurchführung befassen sich alle Beteiligten immer intensiver mit den Inhalten des Projekts und nehmen gedankliche Optimierungen an den ursprünglichen Anforderungen vor. Diese gedanklichen Optimierungen sind für die spätere Akzeptanz der Software essenziell. Es ist also unvermeidbar, ein vertragliches Klima zu schaffen, in dem diesen Optimierungen Platz gegeben werden, ohne eine Kostenexplosion zu verursachen.
Bis zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen sind sich Fachabteilung und Softwarehersteller meist einig: „Lasst uns ein großartiges Stück Software bauen.“ Die Entscheidung zwischen klassisch und agil kann häufig durch die inhaltlich/fachliche Struktur des Projekts getroffen werden. Sind die Anforderungen einfach und präzise abzuschätzen, so wird häufig der klassischen Entwicklung der Vorrang gegeben. Ist ein Projekt technisch oder inhaltlich komplex und somit schwer a priori abschätzbar, fällt die Entscheidung zugunsten eines agilen Vorgehens. Bei der Suche nach einem geeigneten vertraglichen Modell für ein agiles Vorgehen treffen die konträren wirtschaftlichen Interessen von Auftraggeber und Lieferant aufeinander. So ist dem Einkauf die budgetäre Sicherheit das höchste Gut, dem Verkauf des Dienstleisters ein minimales, wirtschaftliches Risiko. Auf vertraglicher Ebene muss also zwischen Festpreis und Time and Material entschieden werden. Die Standpunkte sind hierbei klar definiert, die Interessen der durch die Fachabteilung vertretenden Endanwender gehen bei der Suche nach einem Kompromiss schnell verloren. Von Gerrit Beine wurde das Geschäftsmodell im Bereich der Individualsoftware an sich in Frage gestellt [1]. Die Interessen von Auftraggeber und Lieferant scheinen nicht miteinander vereinbar, da der Auftraggeber mit möglichst geringen Kosten den größtmöglichen Funktionsumfang, der Lieferant aber eine Gewinnmaximierung erzielen möchte. Dieser Konflikt tritt unabhängig vom gewählten Vertragsmodell auf. Oberflächlich betrachtet liegt bei einem Festpreis das Risiko vollständig beim Lieferanten, während ein Time and Material als Freibrief zur Übervorteilung durch den Lieferanten angesehen werden kann.
Auf vertraglich/finanzieller Ebene scheinen die Interessen der Vertragsparteien gänzlich disjunkt. Eine Lösung für die vertraglich konträren Positionen lässt sich nicht finden. Jedoch kann durch den Aufbau von Vertrauen und einem gemeinsamen Verständnis auf das Projektziel mit beiden Modellen erfolgreich gearbeitet werden. Essenziell hierbei ist die Bereitschaft der Vertragsparteien, in einem Kompromiss die Interessen der jeweils anderen Partei zu verstehen und zu berücksichtigen. Die verhärteten Standpunkte müssen zugunsten einer vertrauensvollen Verhandlung bezüglich der Interessen aufgegeben werden. Anstatt einen Kompromiss bezüglich der Standpunkte zu wählen, sollte eine Kooperation auf Basis der Interessen angestrebt werden.
Zwischen Festpreis und Time and Material haben sich einige Kompromisse herausgebildet. Diese scheinen immer dann notwendig, wenn auf Seiten des Auftraggebers keine konsequente Entscheidung zwischen Agilität und klassisch/Wasserfall getroffen werden kann. Der Konflikt entsteht zwischen dem Standpunkt des Lieferanten, ohne detailliertes Pflichtenheft kein gesichertes Festpreisangebot abgeben zu können, und der Fachabteilung, dieses nicht bieten zu können, und dem Wunsch nach einer kurzen Time to Market. Dennoch vertritt der Auftraggeber den Standpunkt, eine verlässliche Aussage bezüglich der zu erwartenden Kosten zu benötigen. Dieser Konflikt wird teilweise auch in das beauftragende Unternehmen hinein getragen, da die Fachabteilung den Standpunkt einer höchstmöglichen Flexibilität, der Einkauf den der höchstmöglichen Sicherheit vertritt. Zwischen diesen Standpunkten lassen sich Kompromisse bilden, bei denen jedoch beide Parteien Einschränkungen hinnehmen müssen.
Ein Festpreis kann beispielsweise mit einem Time-and-Material-Bedarfsbudget abgefedert werden. Dies garantiert dem Auftraggeber eine Budgetsicherheit, und der Lieferant kann sein wirtschaftliches Risiko durch das Bedarfsbudget abfangen. Dieser Kompromiss verschiebt den Konflikt allerdings in die Durchführungsphase. Diskussionen über die Zuordnung von Aufwänden zur Bringschuld aus dem Festpreis oder zum Bedarfsbudget sind unvermeidlich. Dennoch bietet dieser Kompromiss während der Durchführung den umsetzenden Rollen sicherlich mehr Flexibilität als formale Change-Request-Prozesse.
Die Umkehr dieses Konzepts ist ein Time-and-Material-Vertrag mit einem garantierten Maximalpreis. Der Lieferant hat hier das wirtschaftliche Risiko minimiert, der Auftraggeber hat innerhalb des garantierten Maximalpreises eine Budgetsicherheit. Zusätzlich sind während der Projektdurchführung Einsparungen für den Auftraggeber möglich. Da der Auftraggeber seinen Kapitaleinsatz minimieren möchte, gleicht diese Verhandlung über den Maximalpreis jedoch der bezüglich eines einfachen Festpreises.
Während diese beiden Ansätze den Kompromiss auf monetärer Ebene suchen, kann als weitere Option eine Dynamik in den umzusetzenden Funktionen in Betracht gezogen werden. Hierbei wird zu einem Festpreis ein minimaler Umfang an Funktionen umgesetzt. Weitere Funktionen werden bis zum Erreichen der Festpreisgrenze hinzugefügt. Dieser Ansatz verlagert allerdings Unsicherheit und Risiko auf die Fachabteilung und den potenziellen Erfolg des Projekts, da der exakte Lieferumfang...