Internet of Things in der Medizin: Interview mit Sabine Hipp
Internet of Things in der Medizin: Interview mit Sabine Hipp
Für viele ist das Internet der Dinge derzeit noch eine Spielerei: Die Technologien sind da, Anwendungsfälle werden sich schon noch finden lassen, so eine gängige Denkweise. Dennoch gibt viele Bereiche, in denen die intelligente Vernetzung von Kleinstgeräten bereits gewinnbringend eingesetzt wird. In kaum einem anderen Kontext ist das Internet of Things (IoT) so vielversprechend wie in der Medizin, meint Sabine Hipp. In ihrem Vortrag auf der Internet of Things Conference im März wird die Designerin auf Chancen und Risiken von IoT-Technologien im medizinischen Sektor eingehen.
Können Sie ein konkretes Beispiel dafür nennen, wie Vernetzung der Medizin zu mehr Effizienz verhilft?
Sabine Hipp: Die Vernetzung hat in der Medizin an vielen Stellen bereits begonnen. Grundsätzlich muss hierbei in drei Kernbereiche unterschieden werden – akute Pflege im Krankenhaus, Langzeitpflege im stationären und häuslichen Bereich sowie in der proaktiven Gesundheit.
Durch eine zunehmend dezentralisierte Versorgung erhält die Telemedizin immer stärkere Bedeutung im Bereich der Langzeitpflege. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen, dass Ärzte ihre Patienten gerade auch in abgelegenen Gebieten durch smarte Medizintechnik über räumliche Distanzen beraten und betreuen können. Kleine Sensoren in Pflastern oder implantierten Microchips können Gesundheitswerte und Medikamenteneinnahme eines Patienten präzise und kontinuierlich erfassen. Online an den Arzt übermittelt, kann dieser bei Bedarf kurzfristig die Therapie anpassen.
Im Bereich der proaktiven Gesundheit kommen zunehmend Smartphones und so genannte Wearables, tragbare Kleincomputer und Sensoren, zum Einsatz. Diese können beispielsweise das Trainingsprogramm, die Ernährungsgewohnten sowie den Schlaf des Anwenders aufzeichnen. Zahlreiche Apps sollen helfen, bewusster zu leben und Krankheiten vorzubeugen.
In der akuten Pflege ist vor allem die Vernetzung in der Intensivmedizin unverzichtbar. Fortwährend aufzeichnende Geräte ermöglichen eine lückenlose Betreuung. Aber auch in anderen Bereichen im Krankenhaus werden vernetzte Sensoren zukünftig das Pflegepersonal vermehrt entlasten.
Sensoren werden vermehrt dort eingesetzt, wo die menschliche Wahrnehmung effektiver in anderen Bereichen eingesetzt werden kann.
Ist die Gesellschaft, auch aus juristischer Sicht, überhaupt schon bereit für das, was technisch bereits möglich ist?
Hipp: Das Internet der Dinge ist kein marktreifes Produkt. Wie der Hype Cycle for Emerging Technologies 2014 von Gartner zeigt, befindet sich dieses Trendthema gerade auf seinem Erwartungshöhepunkt. Das eigentliche Produktivitätsplateau wird es laut dieser Studie allerdings erst in 5 – 10 Jahren erreichen.
Vor diesem Hintergrund werden mit der weiteren Verbreitung von IoT-Technologien in mehr und mehr Lebensbereichen, juristische Streitigkeiten in gesetzlichen Grauzonen nicht ausbleiben. Gerade in den Bereich des Datenschutzes dringt die Technologie schon jetzt tiefer ein, als es vielen bewusst wird. Es ist und wird stets eine intensive Arbeit der Datenschützer notwendig sein, um die Sicherheit personenbezogener Informationen zu gewährleisten. Doch es wird sich auch bei jeder Anwendung im Einzelfall zeigen, ob die Nutzung bei gleichzeitiger Datensicherheit einen wirklichen Mehrwert bringt oder nicht.
Welche besonderen Herausforderungen bzgl. der User Experience gilt es als Designerin in diesem Bereich zu meistern?
Hipp: Während die Bedienung einer prophylaktischen Gesundheits-App gern spielerisch erlernbar sein darf und mitunter komplexe Funktionen enthalten kann, muss im Krankenhaus alles von Beginn an fließend und fehlerfrei funktionieren. Der gesamte Bedienprozess sollte beim Benutzer sowie beim Patienten Vertrauen erzeugen. Produktivität, aber auch Spaß an der Arbeit schaffen Akzeptanz.
Im medizinischen Umfeld kommt es zudem auf hohe Effizienz und Zuverlässigkeit der Geräte an, wobei Einrichtungs- und Betriebskosten gerade in der akuten Pflege ein entscheidendes Anschaffungskriterium sind.
Neben den in der Medizintechnik einzuhaltenden Normen und Richtlinien muss der Designer vor allem mit den Prozessen, Arbeitsabläufen und besonderen Gegebenheiten in der Zielumgebung vertraut sein. Nur wenn die Rahmenbedingungen perfekt in ein neues Produkt integriert werden, kann dieses erfolgreich im Markt platziert werden.
Es gibt geradezu einen Hype im Bereich der proaktiven Gesundheit.
Wie reagieren Anwender – medizinisches Personal und Patienten – Ihrer Erfahrung nach auf intelligente, selbstständige Daten sammelnde Geräte – meist aufgeschlossen oder skeptisch?
Hipp: Generell reagieren die Anwender unterschiedlich. Im Bereich der Intensivmedizin ist die Vielzahl der patientenüberwachenden Geräte akzeptiert und macht die weitreichende Betreuung erst möglich.
In anderen Bereichen der medizinischen Pflege kann durch das umfangreiche Sammeln von Daten das Gefühl der Überwachung bei Pflegepersonen und Patienten entstehen. Weitere Probleme sind unverständliche Benutzeroberflächen und intransparente Prozesse. Schwierigkeiten in der Bedienung führen schnell zu Ablehnung. Andererseits ist von einzelnen Pflegebedürftigen eine „wachsame“ Umgebung durchaus gewünscht, um zusätzliche Sicherheit zu erhalten.
Während die Akzeptanz in den Bereichen der Pflege eher verhalten ist, gibt es geradezu einen Hype im Bereich der proaktiven Gesundheit. Hier werden Daten gesammelt und ausgewertet, wo es geht. Es herrscht fast schon eine Faszination für die Vermessung der eigenen Person.
Bluetooth Low Energy wird auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben.
Welche Technologietrends werden 2015 aus Ihrer Sicht besonders großen Einfluss auf die Weiterentwicklung des IoT haben?
Hipp: Durch die Vernetzung vieler kleiner Geräte ist es notwendig, dass die IoT-Technologie dahinter langlebig und vor allem energieeffizient ist.
Aus diesem Grund wird Bluetooth Low Energy auch in Zukunft einen hohen Stellenwert haben.
Für einen nachhaltigen Ablauf ist ein funktionierendes und einfaches Devicemanagement unverzichtbar. Alle Geräte „im Feld“ müssen leicht wartbar und trotzdem sicher sein, zum Beispiel um Firmwareupdates einzuspielen (keine Software ohne Fehler) und Zertifikate für Verschlüsselung und Authentifizierung auszutauschen.
Vielen Dank für das Interview!
Aufmacherbild: Female hands holding touch phone and smart watch with mobile app health sensor von shutterstock.com / Urheberrecht: Denys Prykhodov