Interview mit Joanna Hodgson, Director of Presales bei Red Hat
Interview mit Joanna Hodgson, Director of Presales bei Red Hat
In unserer Artikelserie „Women in Tech“ stellen wir ebenso spannende wie inspirierende Frauen vor, die erfolgreich in der IT-Branche Fuß gefasst haben. Heute im Fokus: Joanna Hodgson, Director of Presales bei Red Hat.
Die Tech-Industrie wird von Männern dominiert – so weit, so schlecht. Doch langsam, aber sicher bekommt der sogenannte Boys Club Gesellschaft von begabten Frauen: Immer mehr Frauen fassen in der Branche Fuß.
Aus diesem Grund wollen wir hier spannenden und inspirierenden Frauen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen und zu erzählen, wie und weshalb sie den Weg in die Tech-Branche gewählt haben. Aber auch Themen wie Geschlechtervorurteile, Herausforderungen oder Förderungsmöglichkeiten kommen zur Sprache.
Joanna ist mit Leib und Seele Techie und fasziniert davon, wie Technologie bei geschäftlichen und sozialen Herausforderungen angewandt werden kann. Sie ist seit 24 Jahren in der IT-Branche tätig, hauptsächlich in den Bereichen Technical Presales und Professional Services, und hatte viele technische und geschäftliche Führungspositionen inne. Bei Red Hat leitet Joanna ein Team von Solution Architects, die Kunden bei der Lösung von Geschäftsproblemen mit Open-Source-Software helfen.
Joanna begeistert die Bedeutsamkeit von gutem Design in IT-Projekten und sie fördert den Einsatz von Design Thinking, um benutzerzentrierte Lösungen zu schaffen. Sie ist ein vielbeschäftigter Coach sowie Mentorin für viele technische Fachleute und liebt diesen Teil ihres Berufs.
Joanna ist der Ansicht, dass die IT-Branche für eine möglichst diverse Fachschaft attraktiv werden muss, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen und Frauen aktiv ermutigen muss, in technische Berufe einzusteigen und in ihnen zu bleiben.
Joanna ist Mutter einer lebhaften Tochter, die sie und ihren Mann auf Trab hält.
Die Entscheidung, Informatik zu studieren, hatte den wohl größten Einfluss auf meine Karriere.
Es gab keinen bestimmten Moment in dem mein Interesse für Technik geweckt wurde. Es bestand vielmehr ein allgemeines Interesse daran, zu tüfteln und herauszufinden, wie Dinge funktionieren. Es war also eine natürliche Entwicklung für mich. Ich wollte alles ausprobieren, von Lego über Nähen bis hin zur Herstellung von Kristallen in meinem Mini-Chemielabor und Backen. Ich war nicht immer gut darin. Ich hatte einige schreckliche Kochkatastrophen und als Kind nahm ich einmal den Mechanismus unseres Wasserkochers auseinander, damit er nicht mehr automatisch stoppte. Ich habe alles wieder zusammengebaut, aber am Ende ein Teil übrig und das Problem nicht einmal behoben! Aber ich war immer neugierig und wurde dazu ermutigt, genau das zu sein.
Im Nachhinein hatte den wohl größten Einfluss auf meine Karriere, die Entscheidung, Informatik zu studieren. Von da an war es relativ einfach. (Wenn man außer Acht lässt, dass ich mich nach dem Abschluss als Lehrerin qualifiziert habe und dies eine ganz andere Geschichte wäre, wenn ich einen Lehrauftrag statt einer Stelle in der Industrie bekommen hätte.)
Meine Schule bot Informatik nicht als Fach an, dennoch lernte ich (in Schottland) eine Bandbreite von Fächern: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Kunst zum Beispiel, außerdem hatte ich eine besondere Vorliebe für Mathematik und Musik. Allerdings war es der Tag der offenen Tür an der Universität, der mir das Gefühl gab, dass die Computerabteilung perfekt zu mir passte. Es störte sie nicht, dass ich in der Schule keine Informatik hatte (sie bevorzugten es sogar, da es somit keine schlechten Gewohnheiten gab, die abgelegt werden mussten) und sie fanden es toll, dass ich Musikunterricht hatte. Man sagte mir, dass Musiker hervorragende Informatiker seien. Ich weiß nicht, ob es Beweise für diese Behauptungen gibt, allerdings gab man mir das Gefühl, dass ich den perfekten Hintergrund hatte und es dieses Fach war, das ich studieren sollte. Sie gaben mir das Gefühl, willkommen zu sein.
Meine erste Position habe ich bei IBM im Vorverkauf bekommen, wo ich Partner des Unternehmens unterstützte. Während meiner Zeit bei IBM konnte ich alle drei Jahre die Position wechseln und so immer wieder neue Erfahrungen und Fähigkeiten sammeln und meine Karriere ausbauen. Ich hatte nicht viele Hindernisse zu überwinden. Es gab Herausforderungen, wie in jedem anderen Lebensbereich. Allerdings musste ich sie nie alleine bewältigen, es gab immer Menschen, Manager und Mentoren, die mir helfen konnten, und ich lernte auf dem Weg nach vorne. Jetzt bei Red Hat lerne und wachse ich immer noch und habe viel Spaß.
Da ich einen Abschluss in Informatik gemacht habe, sind viele Freunde aus dem Studium auch in der Technologiebranche gelandet und meine Familie ist sehr stolz auf meine Karriere. Auf meinem Weg hatte ich viele Vorbilder, Mentoren und Manager, die mich inspiriert und herausgefordert haben.
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Überhaupt nicht. Ich habe mich in meiner Karriere immer sehr gut unterstützt gefühlt. Allerdings gab es einen Moment, in dem meine Karriere einen großen Sprung nach vorne machte. In den ersten Jahren haben sich meine Manager um mich gekümmert. Sie schubsten mich an, wenn es an der Zeit war, einen Schritt zu machen oder zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, ich machte Fortschritte. Es war eine angenehme und positive Erfahrung, aber nach ein paar Jahren bekam ich einen Mentor, der sich persönlich für meine berufliche Entwicklung interessierte und mich herausforderte, so gut zu sein, wie ich nur sein konnte. Herausforderung ist das richtige Stichwort, aber ich meine das auf eine positive Art und Weise. Sie hat meine Karriere beschleunigt und mich auf den Weg der Selbstbestimmung gebracht; anstatt darauf zu warten, dass mein Manager etwas sagt, habe ich meine karriere selbst in die Hand genommen
Seitdem hatte ich Manager, die auch in dieser herausfordernden Rolle als Mentor agieren, da diese beiden Rollen nicht unbedingt getrennt sind. Sich bewusst zu sein, wie ich mich beruflich weiterentwickeln will und welche Karrieremöglichkeiten ich anstrebe, hat mir eine viel dynamischere Karriere beschert, als wenn ich sie in die Hände anderer gelegt hätte.
Ich arbeite bei Red Hat als Direktorin der Presales-Abteilung, einem Team von Solution Architects, das unseren Kunden hilft, Geschäftsprobleme mit Open-Source-Software zu lösen. Jeder Tag ist anders, je nachdem, mit welchen Programmen und Kunden oder Partnern ich arbeite. Aktuell arbeite ich an der Entwicklung des „Graduate Programme“ unseres Teams, das wir im September starten und auf das ich sehr gespannt bin.
Da ich relativ neu bei Red Hat bin, lerne ich jeden Tag mehr über unsere Produkte und unsere Unternehmenskultur. Red Hat investiert viel in seine Mitarbeiter und die kontinuierliche Weiterentwicklung wird sehr begrüßt.
Es gab viele große Momente in meiner Karriere. Ich habe alle meine Jobs aus verschiedenen Gründen geliebt, aber herausstechen tun die Momente, wenn Leute mir für irgendwelche Ratschläge oder meine Unterstützung danken, die ihnen geholfen haben, etwas zu erreichen. Die Fähigkeit anderen zu helfen, sich zu entwickeln und zu wachsen, war der Grund, warum ich Manager wurde und ist das, was ich immer noch daran liebe.
Ich sehe, wie Unternehmen helfen, wenn jemand in seiner aktuellen Position flexibel arbeiten möchte. Aber nur sehr wenige Unternehmen stellen diese Möglichkeit von Anfang zu Verfügung.
Das ist ein komplexes Problem. Ich schaue mir meine 19 Monate alte Tochter und ihre Freunde an, sie sind natürliche Ingenieure – die Welt erkunden und herausfinden, wie sie funktioniert, Fehler machen und daraus lernen (und lachen). Unsere Rolle als Eltern ist es, dieses angeborene Interesse zu fördern. Die Einschränkung oder strenge Auswahl von Entscheidungen aufgrund des Geschlechts hat bereits in diesem Alter einen tiefgreifenden Einfluss auf die geistige Entwicklung und setzt einen Prozess in Gang, der dazu führt, dass sich Mädchen und Frauen nicht in technischen und wissenschaftlichen Berufsbildern sehen. Ich sehe, dass viel getan wird, um die Geschlechterstereotypisierung von Kleidung und Spielzeug für sehr kleine Kinder umzukehren und das ist eine gute Sache, allerdings ist es nur ein Anfang.
Das Fehlen von Vorbildern in der Technik für ältere Kinder ist ein Problem, aber die Zusammenarbeit zwischen der Technik-Branche und den Schulen durch Dinge wie den Open Schools Coding Wettbewerb, an dem Red Hat beteiligt ist (und viele ähnliche Initiativen), ist ein wichtiger Schritt, um dieses Problem anzugehen.
Sogar nach einer erfolgreichen Karriere in der Tech-Branche, kämpfen viele Frauen darum, in ihrem Beruf zu bleiben, nachdem sie eine Familie gegründet haben. Es gibt zu wenig Ideen dazu, wie Berufsbilder erfolgreich umgesetzt werden können. Ich sehe, wie Unternehmen es unterstützen, wenn jemand in seiner aktuellen Position flexibel arbeiten möchte, aber nur sehr wenige Unternehmen stellen diese Möglichkeit von Anfang zur Verfügung. Ich frage mich, ob die jetzige Generation von Absolventen, die andere Erwartungen an ihre Karriere und ihr Privatleben hat als frühere Generationen, hier eine wesentliche Veränderung bewirken wird. Ich denke, dass werden sie wahrscheinlich, ich hoffe es jedenfalls.
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Es gibt einige wirklich interessante Initiativen für Wieder-Einsteiger, um die Menschen, die eine berufliche Pause gemacht haben, zurück in eine technische Karriere zu locken. Das ist ein Weg, um erfahrene Frauen in ein Unternehmen einzubinden und die geringe Anzahl von Frauen in Senior-Rollen entgegenzuwirken. Es kann eine gute Möglichkeit für Unternehmen sein, den Erfahrungsschatz zu nutzen, der da draußen vorhanden ist.
Es gibt Kooperationen zwischen Unternehmen, Universitäten und Schulen, einen Wandel in der Stereotypisierung unserer Babys und Kleinkinder und Programme, die Frauen helfen, ihre Karriere so lange fortzusetzen, wie sie es wollen. Aber es wird mehr Zeit benötigen. Da im letzten Jahr nur etwa 1 Prozent der Abschlüsse im Fach Informatik von Mädchen erreicht wurden, gibt es offensichtlich noch viel zu tun. Wir müssen unsere Bemühungen fortsetzen, dann werden sie einen echten Unterschied machen und die Situation für alle verbessern.
Neue Technologien werden immer zugänglicher und verbreiten sich schneller. Wenn Frauen dabei allerdings lediglich Konsumenten dieser Technologien sind und nicht selbst an deren Entwicklung mitarbeiten, wird es problematisch. Dann nämlich werden sie in der Frage, wie wir unser Leben gestalten, wenig Gehör finden. Mit mehr Frauen in MINT-Berufen, werden wir über Technologien verfügen, die den unterschiedlichsten Bedürfnissen gerecht wird, also Technologien im Gleichgewicht mit der Gesellschaft.
IT- und Technologie-Unternehmen sind heutzutage auf der Suche nach multidisziplinären Teams.
Noch ein Satz zu MINT. Heute sind IT- und Technologie-Unternehmen auf der Suche nach multidisziplinären Teams, also nicht nur nach Entwicklern, sondern auch Designern. Es wird nach kreativen Menschen und Soziologen gesucht, die verstehen, wie Menschen mit Technik umgehen und wie man sie für den Nutzer intuitiver und besser anwendbar machen kann. Ich bevorzuge den Begriff MINKT (STEAM) für die Tech-Industrie, denn wir brauchen auch Menschen, die sich für Kunst begeistern. Um die Gesellschaft und Wirtschaft großflächig zu verändern, braucht es die ganze Palette an Fähigkeiten, das gesamte Gehirn quasi.
Meiner Ansicht nach gibt es zwei Probleme: Isolation und ein Mangel an Flexibilität.
Als eine Frau, die seit über 25 Jahren in der IT-Branche arbeitet, war ich nicht selten die einzige Frau im Raum, im Team oder beim Event. Zwar ist das hin und wieder kein Problem, aber wenn es immer und immer wieder passiert, wird es anstrengend. Ohne andeuten zu wollen, dass alle Frauen vor den gleichen Herausforderungen stehen, gibt uns die Arbeit mit anderen Frauen doch die Möglichkeit, Erfahrung auszutauschen und Ratschläge von jemandem zu erhalten, der wahrscheinlich mit ähnlichen Zweifeln und Hoffnungen schon einmal konfrontiert war – oder zumindest traut man sich eher zu fragen, ob sie es waren. Es ist eine Art Unterstützung und hilft, sich zugehörig zu fühlen.
Es ist eine Belastung, immer eine Minderheit zu sein.
In Workshops sehe ich häufig, wie Frauen auf die einzelnen Teams aufgeteilt werden, damit jedes Team eine Frau hat und damit die Diversität gefördert wird. Obwohl das gut gemeint ist, ist es eine Belastung, immer eine Minderheit zu sein. Zudem sind Frauen nicht allein dafür verantwortlich, die Herausforderung in Sachen Diversität zu lösen. Das ist ein weiterer Weg, der Frauen unnötigerweise isoliert. Dies trifft auch auf einige Schulen zu, in denen nur eine geringe Anzahl von Mädchen beispielsweise Physik wählt. Anstatt sie in dieselbe Klasse zu stecken, damit sie sich dem Kern der Gruppe zugehörig fühlen, werden sie zwischen den Klassen aufgeteilt, sodass es mindestens ein Mädchen in jeder Klasse gibt.
Das zweite Problem ist die mangelnde Flexibilität der Berufsposition, die sich meist in den Jahren nach der Familiengründung bemerkbar macht, insbesondere bei Teilzeitarbeit. Die meisten großen Unternehmen unterstützen beim rollengetreuen Wechsel in Teilzeit, das Problem tritt aber dann auf, wenn man seine Karriere dann auch in Teilzeit fortsetzen will. Es werden intern nur wenige Stellen mit der Möglichkeit auf Teilzeit ausgeschrieben, darum bleibt man möglicherweise in einer Position stecken, die einen langweilt. Ein weiteres Problem ist, dass Unternehmen oft nur wenig relevante Stellen für Teilzeitarbeit zulassen. Wenn es dann im Unternehmen zu Umstrukturierungen und Stellenabbau kommt, geht es oft nämlich um genau diese Positionen, die oftmals zuerst gekürzt werden. Frauen sind dann unverhältnismäßig stark betroffen. Wir müssen kreativer sein, wenn es darum geht, wie wir Stellen im Kerngeschäft und im Kundengeschäft flexibel und in Teilzeit umsetzen können.
Mein Rat für jeden, der eine Karriere in der Tech-Industrie anstrebt:
Besonders für Frauen gilt: Unterstützt euch gegenseitig. Seid ein Mentor oder Coach für andere bzw. holt euch einen Mentor der euch hilft.
Die Tech-Industrie ist sehr vielfältig, sie befasst sich nicht nur mit einer Sache. Sie ist Teil jeden Aspekts unseres Lebens, von Mode über Umwelt bis hin zu medizinischem Fortschritt und Raumfahrt. Welchen Einfluss man auch immer auf die Welt haben möchte, es gibt einen Berufsweg in der Tech-Industrie, der einen dabei unterstützen kann. Die Welt der IT steht niemals still: Eine Karriere in der Tech-Branche ermöglicht es jedem, weiter zu lernen und die eigenen Interessensgebiete zu verfolgen. Tech-Unternehmen wollen Menschen, die bereit sind, Dinge zu erforschen und zu erschaffen, damit bleiben sie – durch ihre Mitarbeiter! – interessant. Es ist ein wirklich tolles Umfeld, um darin zu arbeiten, und die Bezahlung ist auch nicht schlecht!