Interview mit Stefanie Schwilski, Software Engineer
Interview mit Stefanie Schwilski, Software Engineer
In unserer Artikelserie „Women in Tech“ stellen wir inspirierende Frauen vor, die erfolgreich in der IT-Branche Fuß gefasst haben. Heute im Fokus: Stefanie Schwilski ist als Software Engineer im Bereich Manufacturing Industries bei adesso SE tätig.
Die Tech-Industrie wird von Männern dominiert – so weit, so schlecht. Doch langsam, aber sicher bekommt der sogenannte Boys Club Gesellschaft von begabten Frauen: Immer mehr Frauen fassen in der Branche Fuß.
Aus diesem Grund wollen wir hier spannenden und inspirierenden Frauen die Möglichkeit geben, sich vorzustellen und zu erzählen, wie und weshalb sie den Weg in die Tech-Branche gewählt haben. Aber auch Themen wie Geschlechtervorurteile, Herausforderungen oder Förderungsmöglichkeiten kommen zur Sprache.
Stefanie Schwilski
Stefanie Schwilski ist als Software Engineer bei adesso tätig und unterstützt aktuell ein Projekt im Lotterieumfeld. Neben der Softwareentwicklung beschäftigt sie sich mit agilen Methoden und gestaltet so ihre Arbeit und die ihrer Kolleginnen und Kollegen aktiv mit. Seit dem Abschluss ihres dualen Studiums im Studiengang „Softwaretechnik dual“ studiert sie an der FH Dortmund im Master Informatik. Stefanie setzt sich im Rahmen der adesso-Initiative „She for IT“ gemeinsam mit anderen engagierten adesso-Frauen für die Förderung von Frauen in IT-Berufen ein.
Schon als Kind habe ich mich eher für Spielzeugautos, Lego oder den Gameboy interessiert. Also mit Dingen, mit denen klassischerweise eher Jungs als Mädchen spielen. In der Grundschule war ich die einzige, die in der Schach-AG war, weil mir die Logik und das strategische Denken dahinter Freude bereitete. Zu dieser Zeit habe ich auch meiner 13 Jahre älteren Schwester beim Computerspielen zugeschaut und ihr Freund, mein heutiger Schwager, der von Beruf Systemadministrator ist, brachte mir die Welt der Computer und der Technik noch näher.
Das Thema Computer hat mich damals so begeistert, dass ich mich nicht beirren ließ und als einziges Mädchen Physik/Informatik in der Mittelstufe des Gymnasiums wählte. Die Jungs schauten nicht schlecht, als ich das Wissen, was angeblich „zu komplex und technisch für ein Mädchen“ war, ohne Probleme umsetzen konnte. So war ich auch in der Oberstufe eine beliebte Arbeitspartnerin im Informatikkurs und habe dann im Abitur Informatik mit Bestnote bestanden.
Mein beruflicher Werdegang war tatsächlich bisher straight forward. Nach meinem Abitur 2013 habe ich ein duales Studium zur Fachinformatikerin in der Fachrichtung Anwendungsentwicklung begonnen, welches ich als beste Absolventin meines Jahrgangs mit Auszeichnung, im dazugehörigen Studiengang Softwaretechnik dual, abgeschlossen habe. Da ich mich danach auch weiterhin in der Informatik weiterbilden wollte, habe ich daraufhin mein Masterstudium begonnen. Aktuell arbeite ich als Software Engineer bei der adesso SE, meinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb und schreibe nebenbei an meiner Projekt- und Masterarbeit.
Ohne die Unterstützung meiner Familie und Freunde wäre ich vermutlich heute nicht da, wo ich bin. Meine Familie hat mich bei allen Entscheidungen, die ich getroffen habe, unterstützt und mir Freiheiten gegeben, herauszufinden, was ich im Leben machen möchte. Auch zu Beginn meiner Ausbildung, als ich es schwer hatte, mich ohne Programmierkenntnisse in Java unter den anderen sieben Jungs aus meinem Jahrgang zu beweisen, haben sie mir Mut zugesprochen, nicht direkt alles hinzuschmeißen.
Ohne die Unterstützung meiner Familie und Freunde wäre ich vermutlich heute nicht da, wo ich bin.
Während meiner Schulzeit gab es ein paar Lehrer, die mich auf meinem Weg unterstützt haben. Insbesondere mein damaliger Informatiklehrer, der sich nicht für das Geschlecht eines Schülers, sondern für seine Begeisterung interessierte. Aber auch mein ehemaliger Klassen- und Stufenleiter war eine Stütze. Er sagte immer, dass man alles schaffen kann, wenn man es nur wirklich möchte. Zudem bekam ich Zuspruch von meiner Mathematiklehrerin in der Oberstufe, die mich nach Jahren Unterricht eines anderen Kollegen wissen ließ, dass ich Mathe doch verstanden habe und ziemlich gut darin war.
Auch heute stoße ich noch auf viele Arbeitskollegen und Vorgesetzte, die mich fordern, fördern und meinen Ehrgeiz erkennen.
Heute bin ich als Software Engineer im Bereich Manufacturing Industries bei adesso angestellt, wo ich aktuell in einem unserer Lotto-Projekte tätig bin. Hier unterstütze ich die Kolleginnen und Kollegen bei der Entwicklung und Überarbeitung einer Spieleportalplattform für Lotteriegesellschaften. Aber nicht nur die reine Programmierung ist Teil meiner alltäglichen Arbeit. Ich organisiere meine Aufgaben durch unsere agile Vorgehensweise in der Regel selbstständig, führe Code Reviews durch oder bin Teil von Retrospektiven, Plannings und Sprint Reviews. Ich gebe also auch Feedback zur Arbeit im Projekt und gestalte somit meinen und den Arbeitsalltag meines Projektteams aktiv mit.
Die größte Hürde dabei ist für mich, dass immer noch vorherrschende Bild von „typischen“ Frauen- und Männerberufen und die damit verbundenen Rollenbilder. Solange diese klassischen Rollenbilder in den Köpfen verankert sind, ist es schwierig, sich als Frau in einer „Männerdomäne“ zu beweisen. An diesem Rollenverständnis gilt es primär zu arbeiten.
Das typische Bild ist vermutlich der im Keller sitzende und Pizza essende Nerd.
Wie oft höre ich im privaten Umfeld den Satz: „Du siehst gar nicht aus wie eine Informatikerin.“ Ich glaube, dass es noch sehr viele Klischees zu einigen Berufen gibt sowie auch zu dem des Informatikers. Das typische Bild ist vermutlich der im Keller sitzende und Pizza essende Nerd. Dabei gibt es viel mehr in diesem Beruf zu erleben und zu tun. Das Programmieren im eigentlichen Sinne ist mittlerweile nur noch ein Aspekt im Arbeitsleben des Informatikers. Die Berufsbezeichnung des Software Engineer spiegelt vermutlich eher wider, was die Aufgaben in diesem Beruf sind. Er oder sie ist bei der Anforderungserhebung, Konzeption, Umsetzung, Abnahme, Wartung und weiteren Prozessen anzutreffen. Und dabei sitzt man eben nicht acht Stunden lang nur vor dem Computer.
Wenn ich auf meine Schulzeit zurückblicke, glaube ich aber auch, dass die fehlende Attraktivität und das fehlende Angebot in der Schule Gründe dafür waren, dass sich junge Menschen gegen einen Beruf in diesem oder in einem anderen Bereich, der sie wirklich interessiert, aussprechen.
Mir persönlich geht es nicht darum, irgendwelche Quoten einzuführen oder erfüllen zu müssen. Aber ich frage mich, warum wir in manchen Bereichen eine Unterscheidung zwischen Frauen- und Männerberufen machen. Klar gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, aber es geht bei der ganzen Debatte auch nicht um Gleichheit, sondern um Gleichberechtigung.
Frauen sollten genauso ihr Potenzial und ihre Interessen ausleben dürfen, dabei ebenso gut bezahlt werden und damit ihre (finanzielle) Unabhängigkeit sichern können. Jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, sollte dazu ermutigt werden, genau das zu machen, was ihn wirklich interessiert. Und aufgrund der Tatsache, dass es sehr wohl Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, glaube ich, dass unterschiedliche Perspektiven auch unterschiedliche Ideen und Problemlösungen fördern.
Es geht bei der ganzen Debatte nicht um Gleichheit, sondern um Gleichberechtigung.
Ich nehme an, dass Diversity noch lange ein Thema bleiben wird. Solange wir bereits Kindern beibringen, dass Jungs mit Autos spielen und Mädchen mit Puppen, muss sich niemand darüber wundern, dass Klischees und eine klassische Rollenverteilung in den Köpfen verankert sind. Vor allem schwierig wird es, wenn Eltern oder Lehrer, die eine Vorbildfunktion besitzen, Kindern beibringen, dass sie aufgrund ihres Geschlechts etwas nicht können oder dürfen.
Tatsächlich wurden mir die meisten Steine in meiner Schulzeit in den Weg gelegt. Begonnen hatte es mit den Jungs, die mich nicht ernst nahmen, weil sich Mädchen ja normalerweise nicht für technische Dinge interessieren. Im Informatikunterricht lernten wir zwar Grundlagen der Programmierung, aber in einer altertümlichen Programmiersprache, die heutzutage vermutlich niemand mehr freiwillig in einem neuen Projekt einsetzen würde. Als die Entscheidung für die Leistungskurse bevorstand, staunte ich nicht schlecht, dass kein Informatik-LK angeboten wurde, weil wir schlichtweg mit drei Leuten zu wenige waren. Bemühungen zur Kooperation mit anderen Schulen, gab es zwar in anderen Bereichen, jedoch nicht in der Informatik.
Ich kann von meinem Standpunkt aus nur sagen: Traut euch, dass zu machen, was euch interessiert! Auch wenn es bedeutet, von den Schulfreunden getrennt oder alleine unter Jungs im Kurs zu sitzen, was in so jungen Jahren schon einiges an Mut bedeutet. Wenn ihr euch für etwas interessiert, sprecht mit jemandem darüber. Seien es Freunde, Eltern, Lehrer oder Geschwister. Es gibt Menschen, die euch unterstützen können und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Und wenn euch jemand sagt, dass ihr etwas nicht könnt, denkt daran, dass es seine Grenzen sind und nicht eure.
Probiert euch aus!
Nehmt an dem bundesweiten Girls-Day oder anderen Veranstaltungen teil, an denen Unternehmen und Hochschulen MINT-Fächer oder -Berufe vorstellen. Ihr könnt an der Schule dafür einen Antrag auf Freistellung einreichen. Und vor allem: Probiert euch aus! Macht Praktika, um viele Bereiche kennenzulernen oder auch ausschließen zu können. Und falls mal etwas nicht so klappt, wie ihr es euch vorgestellt habt, könnt ihr euch wenigstens nicht vorwerfen, es nicht ausprobiert zu haben.