Home Office und Remote Working – Vor- und Nachteile unter der Lupe

Warum das Home Office Fluch oder Segen für Entwickler sein kann

Warum das Home Office Fluch oder Segen für Entwickler sein kann

Home Office und Remote Working – Vor- und Nachteile unter der Lupe

Warum das Home Office Fluch oder Segen für Entwickler sein kann


Immer mehr Entwickler haben hierzulande das Bedürfnis im Home Office zu arbeiten. Dafür müssen aber die Voraussetzungen stimmen, sonst kann schnell Frust aufkommen. In erster Linie kommt es beim Remote Working auf die Nutzung der richtigen Tools, eine angemessene Kommunikation innerhalb des Teams und starke Selbstdisziplin an.

Beim Thema Home Office und Remote Working scheiden sich die Geister. Für die einen ist es ein Fluch, der Kommunikation und soziale Organisation innerhalb eines Betriebes unterminiert und die Unternehmenskultur vergiftet. Für die anderen ist es ein Segen und die perfekte Lösung logistischer, privater und zeitlicher Probleme.

Für Entwickler scheint das Home Office wie geschaffen. Programmieren kann man mit dem passenden Equipment von überall aus. Wir haben uns die Vor- und Nachteile des „Remote-Working“ für Entwickler einmal näher angesehen und geben euch einige Tipps für ein erfolgreiches Arbeiten im Home Office mit auf den Weg.

Das Home Office ist im Kommen – oder doch nicht?

Die Statistiken zeigen es: Das Home Office ist im Kommen – jedenfalls in den USA. 2015 erledigten dort laut dem Bureau of Labor Statistics 23 Prozent der Arbeitnehmer ihre Arbeit teilweise oder ganz in den eigenen vier Wänden.

Hierzulande scheint die Entwicklung dagegen eine andere zu sein. „Deutschland ist in Sachen mobiles Arbeiten noch Entwicklungsland“, titelt die „Welt“ und hat damit nicht Unrecht. Gerade einmal elf bis zwölf Prozent der deutschen Arbeitnehmer regelmäßig oder gelegentlich im Home Office (2013 waren es nur knapp acht Prozent).Dabei wollen laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung etwa 30 Prozent im Home Office arbeiten. In den westeuropäischen Ländern sind es durchschnittlich 17 Prozent, die der flexiblen Arbeitsweise ganz oder teilweise nachgehen.

Das Home Office in der digitalen Welt

Das alles betrifft aber nicht die digitale Welt, könnte man meinen. Das stimmt nur teilweise. Auch hier scheint der Zeitgeist und der Trend hin zum „Remote Working“ eher ein angloamerikanischer zu sein.

Dabei können die Vorteile des Home Office auf der anderen Seite durchaus vielseitig sein. Je nach Wohnort, Familienstand, persönlichen Interessen und Tätigkeitsbereich fühlen sich Entwickler autonomer als der klassische Office-Worker. Der Arbeitsprozess kann effizienter werden und seine Struktur nach eigener Maßgabe erfahren.

Entwickler können mit der nötigen Ausstattung und dem technischen Know-how im Prinzip von nahezu überall auf der Welt programmieren und ihre Arbeit genauso erledigen wie sie das auch im Büro könnten. Doch auch die persönliche Zusammenarbeit ist wichtig für eine positive Unternehmenskultur, das Teamgefühl und die Zusammenarbeit im IT-Sektor. Und von diesen Faktoren kann trotz der veränderten Arbeitsbedingungen des digitalen Zeitalters das Gelingen gesetzter Projekte abhängen.

Ebenso können die Arbeit und das Privatleben auf unerwünschte Weise verschwimmen, das Home Office zu unbezahlter Mehrarbeit führen, die ständige Erreichbarkeit krank machen und die Bindung zum Unternehmen verloren gehen, wie es das „manager magazin“ in einer Artikelserie aufzeigt.
Es geht aber auch anders.

6 Tipps für Entwickler im Home Office

Der Softwareentwickler Saeed Gatson aus Oregon arbeitet seit über einem Jahr von zuhause aus. In einem zwar humoristisch verfassten, aber inhaltlich interessanten Artikel bietet er dem ambitionierten Entwickler sechs Tipps für ein erfolgreiches Home Office an.

„With my skillset, all I really need is a relatively powerful computer and strong internet connection, and I can practically work from anywhere“

  • 1: Ein paar Kopfhörer. Lassen sich günstig erwerben und müssen prinzipiell nur funktional sein
  • 2: „Self-Control-Apps“ verwenden, um sich selbst zu disziplinieren. Der Entwickler empfiehlt Apps wie „Self-Control“, „Freedom“ und „StayFocusd“, die deinen Zeitplan gewinnbringend managen und unerwünschte Seiten blockieren bzw. Unterbrechungen im Arbeitsfluss verhindern sollen. Gefördert werden Fokus, Entspannung und Produktivität.
  • 3: Nötige Büroutensilien frühzeitig besorgen. Das Grundlegendste wird häufig vergessen. Häufig genug greift auch der Entwickler zum klassischen Handwerkszeug. Die Devise heißt: Stift und Papier kaufen, bevor die Geschäfte ihre Läden schließen.
  • 4: Einen komfortablen und funktionalen Arbeitsbereich mit einem „sitting/standing desk“ schaffen. Wenn man schon im Home Office arbeitet, dann sollte man es sich auch so komfortabel und sinnvoll wie möglich einrichten. Wer nicht den ganzen Tag verkrümmt sitzend arbeiten will, könne mit dem „sitting/standing desk“ bzw. „SmartDesk“ wohltuende und gesunde Abhilfe schaffen.
  • 5: Für die schnellstmögliche und sicherste Internetverbindung sorgen. Eine langsame Anbindung an das Web kann einen immensen Zeitverlust und Mehraufwand beim Programmieren bedeuten. Wer mit etwa mit externen Repositorys arbeiten und bei Teammeetings keine schlechte Figur abgeben will, wird ohne die entsprechende Webanbindung nicht auskommen.
  • 6: Neben Code auch ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. Selbstbewusstsein heißt nicht nur von seinen individuellen Skills überzeugt sein, sondern auch über diese und sich selbst reflektieren zu können. Wer sich darüber gewahr ist, wann und unter welchen Bedingungen er am effektivsten arbeitet, wird Zeit sparen und bessere Ergebnisse erzielen.

Der Softwareentwickler ist sich sicher: Der Trend geht in Richtung Home Office – und ihm gefällt es.

Für das Home Office müssen die Voraussetzungen stimmen

Mit der falschen Herangehensweise kann so einiges schief gehen. Das weiß auch Jeff Atwood zu berichten, der sich in seinem Artikel kritisch mit dem „Remote-Working“ des Programmierers auseinandersetzt. Sein größter Fehler sei es gewesen, längere Zeit ganz alleine gearbeitet zu haben. Die Folge:

I was unmoored, directionless, suffering from analysis paralysis, and barely able to get motivated enough to write even a few lines of code. I rapidly realized that I’d made a huge mistake in not having a coding buddy to work with.

Atwood trifft damit den Nagel auf den Kopf. Trotz aller Schwierigkeiten versteht er das „Remote Development“ als „the future of work“. Als Voraussetzung für ein funktionierendes „Remote-Working“ für Entwickler empfiehlt er:

  • ein mehrköpfiges Entwicklerteam
  • “Remote-Working“ ist etwas für „alte Hasen“ und nichts für Neulinge
  • Handlungsfreiheit für das Entwicklerteam bei gleichzeitiger Hierarchie mit visionärem Teamleader für volle Effektivität

Zudem lassen sich Abstimmungsprobleme, Sicherheitsrisiken und Unklarheiten vermeiden, wenn nur die Kommunikation und die Rahmenbedingungen stimmen. Die Nutzung der richtigen Tools ist ein Schlüssel zum Erfolg.

Empfehlen lassen sich vor allem gleichbleibende Mailing-Listen, ein länderspezifisch abgestimmter Realtime-, Sprach bzw. Videochat. Regelmäßige Status Reports und einige in ein Teammeeting investierte Minuten halten das Team zusammen und fördern den Arbeitsprozess der Entwickler. Über die Entfernung verläuft im Team viel auf Vertrauensbasis – gerade wenn die Zeiteinteilung frei gestaltbar ist.

Letztlich kommt es auf den Einzelnen und seine Bedürfnisse an. Während der eine Entwickler lieber alleine zuhause programmiert und nur über die Ferne mit seinem Team kommuniziert, bevorzugt der andere das klassische Arbeitsverhältnis im Büro mit Kollegen und den dazugehörigen lokalen sozialen Events und Aktivitäten, die auch für viele Entwickler einen hohen persönlichen Stellenwert besitzen.

Fazit

Festzuhalten bleibt: Ein wohlstrukturiertes und funktionales Home Office bietet sich im Bereich der IT und Softwareentwicklung geradezu an. Viel Essentielles kann unterwegs oder in den eigenen vier Wänden erledigt werden, die strikte örtliche Bindung fällt prinzipiell weg.

Auf der anderen Seite ist bei vielen Projekten erfolgreiche Teamarbeit vonnöten. Wir empfehlen für ein aus der Ferne arbeitendes Team eine Größe von mindestens zwei bis drei Entwicklern, die fachlich und vor allem menschlich harmonieren. Eine klar festgelegte und maßgebende interne Strukturierung kann dabei hilfreich sein, angestrebte Projekte zu verwirklichen. Die Nutzung adäquater Tools (wie etwa Github, Trello, Dropbox oder Google Drive) und Gadgets darf nicht vernachlässigt werden.

Weiterhin empfehlen wir eher erfahrenen Entwicklern dauerhaft im Home Office und von auswärts zu arbeiten. Über die Distanz ist es kaum möglich, Neulinge im Entwicklerland entsprechend zu coachen.

Auch wer sich als Entwickler eher als „einsamer Wolf“ sieht und bei neuem Wissen primär auf autodidaktische Aneignung setzt, wird in produktiver Teamarbeit schnell merken, wie motivierend und gewinnbringend der persönliche Ideenaustausch für die Lösung vieler komplizierter Programmieraufgaben sein kann. Wenn dazu noch die interne Kommunikation stimmt, kann kaum noch etwas schief gehen.

Erik Kaiser hat Philosophie und Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt studiert. Im Anschluss absolvierte er eine berufliche Weiterbildung zum Online-Redakteur. Seit September 2016 schreibt er für die Redaktion von entwickler.de in Frankfurt.