Will man sich um einen Entwickler-Job bewerben, sollte man nicht nur die geforderten Studienabschlüsse und einige nette Zusatzqualifikationen mitbringen, sondern im Idealfall auch bereits mehrere Jahre Berufserfahrung. Einsteiger haben deutlich geringere Chancen auf einen lukrativen Job als diejenigen Bewerber, die sich im echten Entwickleralltag schon bewiesen haben und eine mehrseitige Liste erfolgreich abgeschlossener Projekte als Referenz aufführen können. Doch ist Berufserfahrung tatsächlich so wichtig, wie es die Recruiter dieser Welt vermuten lassen?
Was man eigentlich schon als allgemeingültige Regel und etablierten Brauch in den Personalabteilungen von Software-Unternehmen aller Größen bezeichnen kann, wird jedoch von einer mindestens genau etablierten Studie in Frage gestellt. Schon 1968 machten sich Sackman, Erikson und Grant auf, zu untersuchen, welchen Einfluss Berufserfahrung und individuelle Disposition auf die Fähigkeiten eines Menschen als Entwickler haben könnten. Das Ergebnis war überraschend: Weder die Code-Qualität noch die Produktivität eines Entwicklers stehen in Zusammenhang mit seiner Berufserfahrung.
Stattdessen waren große Unterschiede in der individuellen Produktivität der untersuchten Entwickler festzustellen – teilweise waren einzelne Probanden ganze 25 Mal produktiver als ihre Kollegen! Ob diese bereits fünf oder 35 Jahre in ihrem Beruf tätig waren, spielte dabei keine Rolle. So sind Entwickler nicht in die Gruppen „erfahren“ und „unerfahren“ zu kategorisieren, sondern eher in „produktiv“ und „unproduktiv“ oder, noch drastischer ausgedrückt, in „gut“ und „schlecht“. In beiden Gruppen finden sich Entwickler, die gerade erst ihr Diplom überreicht bekommen haben und solche im besten Alter, die schon ihr gesamtes Leben mit dem Schreiben von Code verbracht haben.
Aber wovon hängt denn nun ab, in welche der beiden Gruppen man sich einzuordnen hat? Vom Talent? Davon, wie gut man im Studium aufgepasst hat? Über die Auswirkung intensiven Trainings auf die Fähigkeiten eines Entwicklers sagt die oben zitierte Studie, übrigens seitdem mindestens acht Mal wiederholt und somit auch heutzutage zweifelsohne noch aktuell, leider nichts aus. Genauso wie wir, vermuten auch die Autoren des Blogs Accelerated Development, dass ein guter Entwickler Fähigkeiten besitzt, die ihn effizient planen und die richtigen Entscheidungen treffen lassen. Welche Funktionen verpacke ich in Klassen, welche Klassen in Module? Nur einige der Fragen, denen sich ein Entwickler täglich stellen muss.
Nun ja, dass es gute und schlechte Entwickler gibt, ist nichts Neues. Bahnbrechend ist lediglich die Aussage, dass ein schlechter Entwickler auch im Laufe der Zeit nicht unbedingt immer besser wird. Realisieren das irgendwann einmal die Unternehmen, dürfte wohl eine moralisch durchaus zweifelhafte Revolution anstehen. Immerhin könnte man das teure, alteingesessene Entwickler-Urgestein entlassen und günstige, karrieredurstige Berufseinsteiger einstellen. Diese würden von jener Entwicklung noch am ehesten profitieren, würden sie doch nach ihrer Ausbildung schneller als bisher einen Einstieg in das Berufsfeld ihrer Wahl finden. Aber worin liegt der Wert eines schnellen Einstiegs, wenn der Ausstieg nach einigen Jahren Berufserfahrung genauso schnell erfolgt, nur weil man dem Unternehmen zu teuer geworden ist?
Was im Rahmen der besagten Studie als bewiesen gilt, möchten wir hier nun zur Diskussion stellen. Sind denn Routine, Erfahrung und die Konfrontation mit möglichst vielen verschiedenen Lösungsansätzen im Entwicklerumfeld wirklich gar nichts wert? Wie steht es mit Ihnen, sind nicht auch Sie im Laufe Ihrer Entwicklerkarriere besser geworden? Oder haben sich lediglich die Technologien weiter entwickelt, Ihre Fähigkeiten, damit umzugehen, sind aber gleich geblieben? Diskutieren Sie mit und lassen Sie uns an Ihrer Meinung teilhaben!
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